Was hat es mit den Leuchtfarben bei Uhren auf sich?
Stand 01.07.2012
VORBEMERKUNGEN
Der Traum eines jeden Uhrenträgers, seine Uhr auch bei völliger Dunkelheit ablesen zu können, führte zu der Verwendung von Leuchtfarben bei der Herstellung von Zifferblättern und Zeigern. Zur Verwendung kamen sehr schnell radioaktive Substanzen. Heute stehen dagegen nichtaktive Leuchtstoffe (z. B. Super-LumiNova) zur Verfügung. Deshalb richtet sich diese Veröffentlichung eher an Besitzer älterer Uhren!
Die vorliegende Zusammenstellung soll helfen, deren Gefährlichkeit abzuschätzen. Vorweg sei schon darauf hingewiesen, dass die nach gültiger Norm hergestellten Zifferblätter und Belegungen bei bestimmungsgemässen Gebrauch als ungefährlich eingestuft werden. Zifferblätter müssen heute entsprechend den verwendeten Leuchtstoffen gekennzeichnet sein {T (Tritium) und T25, und 147 Pm (Promethium, gefährlicher), seltener Ra (Radium, sehr gefährlich, nur noch für Spezialzwecke)}.
Anders sieht das mit älteren Uhren, bzw. mit Uhren unbekannter Herkunft aus. Für den Uhrmacher und den Sammler bedeutet dieser Umstand ein Risiko. Die Fa. Sinn z. B. hatte daraus die Konsequenz gezogen: Sie repariert keine unbekannten Uhren mit Leuchtzifferblättern. Ältere Uhren (bis ca. 1965) und hierbei besonders Militäruhren und Instrumente sind oft mit nicht unerheblichen Mengen von Radium (Halbwertzeit 1622 Jahre), teilweise sogar mit Strontium belegt. Diese Uhren und Instrumente haben zwar heute keinen Nachleuchteffekt mehr, trotzdem geht von ihnen eine nicht zu unterschätzende radioaktive Strahlung aus.
Der Sammler sollte Uhren mit radioaktiven Zeigern und Zifferblättern nicht öffnen und sie zusätzlich an einem gut belüfteten Ort stellen. Uhrmacher müssen ausserdem überprüfen, ob sich noch alte Reste von Leuchtfarbe bzw. von Leuchtzifferblättern /-zeigern in ihrer Werkstatt befinden. Diese sollten ordnungsgemäss entsorgt werden.Bitte beachten Sie: Alles was Sie hier lesen sind zusammengetragende Publikationen aus den Jahren 1959–2001. Sicherlich gibt es heute weiterentwickelte Leuchtfarben ohne jede Radioaktivität, die ausreichend leuchten!
Hans Jendritzki schreibt zu Zusammenfassend zu diesem Thema in seinem Buch: DER MODERNE UHRMACHER, 1987 S. 34 f.:
“Die Uhren mit Leuchtausstattung sind ein heikles Problem geworden. Zahlreiche Länder haben unterschiedliche Anordnungen erlassen über den Verkehr mit radioaktiven Stoffen.
Bis etwa 1950 erfolgte die Leuchtausstattung hauptsächlich durch Radium 226, das zur Leuchtanregung des Zinksulfids verwendet wurde. Mesothorium 1 (Radium 228) und Radiothorium (Thorium 228) wurden seltener angewendet. Ihre alfa-Teilchen bewirken die Lumineszenzanregung, und diese werden von der Leuchtfarbe absorbiert; jedoch dringen die von Zerfallsprodukten ausgesandten beta-Strahlen durch das Uhrglas nach aussen.
Seit ab 1950 billige Spaltprodukte des Urans zur Verfügung stehen, wurde aber auch Strontium 90 Yttrium 90 benutzt, dessen harte beta-Strahlen Handgelenkschäden verursachten, was zum Verbot der Anwendung von Strontium 90 für Leuchtzifferblätter führte.
Nur noch für Spezialuhren wird Radium 226 in Ausnahmefällen verwendet; in der Schweiz muss der Erwerber einer solchen Uhr – erlaubt bis 1,5 µCi (Mikrocurie) –, wenn sie nicht am Handgelenk getragen wird, mit seiner Unterschrift bestätigen, dass er vom Inhalt eines vom Eidg. Gesundheitsamt zu genehmigenden Merkblattes Kenntnis genommen hat. In diesem Merkblatt ist die Aktivität der Uhr festgehalten, und es wird empfohlen, die Uhr nur bei der besonderen Tätigkeit zu tragen, für die sie bestimmt ist.
Die unterschiedliche Behandlung von Taschenuhren und Armbanduhren in den Gesetzen für die Leuchtausstattungen ergibt sich dadurch, dass die Taschenuhren im allgemeinen in der Nähe der Hüften getragen werden, und zwar mit dem Leuchtzifferblatt gegen den Körper. Es ist dann möglich, dass die radioaktive Strahlung im Laufe der Zeit eine schädliche genetische Wirkung hervorruft. Armbanduhren werden jedoch so getragen, dass das Leuchtzifferblatt vom Körper abgewandt ist, ausserdem werden die Strahlungen durch die Stahlplatte abgeschwächt, die sich zwischen Zifferblatt und Handgelenk befindet.
Handelsüblich werden gegenwärtig Promethium und Tritium benutzt, die wesentlich schwächere Nuklide sind. Immerhin sind auch sie noch stark genug, um beispielsweise Einfuhranzeigen mit Angabe der Aktivität – in Millicurie – notwendig zu machen.Während Uhren mit radioaktiven Stoffen mit der Post befördert werden dürfen, dürfen Uhrzeiger mit radioaktiver Leuchtmasse – da sich dann ihre Wirkung durch die Menge der Zeiger vervielfacht – nur dann von der deutschen Post befördert werden, wenn die Sendung höchstens 1 mCi Tritium, 1 mCi Promethium 147 oder 0,0001 mCi Radium 226 enthält!
Beim Uhrmacher ist gleichfalls Strahlengefährdung möglich, wenn größere Mengen Leuchtzeiger aufbewahrt werden; und die zuständigen Gewerbeaufsichtsämter sind entsprechend vorsichtig. Es sollten nicht mehr als 20 Paar Leuchtzeiger auf Lager gehalten werden, ihr Aufbewahrungsort sollte von den normalen Arbeitsstellen weit entfernt sein, um jede Dauerbestrahlung auch im ungünstigsten Fall auszuschliessen.
Obwohl der Uhrmacher selten oder gar nicht in die Lage kommt, entsprechende Messungen vorzunehmen, mögen die einschlägigen Masseinheiten angegeben sein:Das Curie ist das Mass der Radioaktivität. Das Millicurie ist der 1000. Teil eines Curie. 1 Curie ist dann gegeben, wenn in einer radioaktiven Substanz 37 Milliarden Atomkernzerfälle in jeder Sekunde stattfinden. Die Radioaktivität von 1 Gramm Radium entspricht etwa 1 Curie.Das Röntgen ist eine physikalische Einheit der Menge energiereicher Ladung, beispielsweise der Röntgenoder Gammastrahlung. Das Milliröntgen ist der 1000. Teil eines Röntgen.Man nennt eine energiereiche Strahlung auch ionisierende Strahlung. Dabei versteht man unter lonisation einen Vorgang, bei dem unter der Strahleneinwirkung Elektronen von den äusseren Schalen der Atome gelöst werden und dadurch Ionen, das heisst geladene Atome oder Moleküle entstehen.
Wenn in 1 Kubikzentimeter Luft unter Normalbedingungen etwa 2 Milliarden Atome der darin befindlichen Gase solche lonisation erlitten haben, hat etwa die Strahlenmenge von 1 Röntgen eingewirkt. 600-800 Röntgen bewirken als Ganzkörperbestrahlung den Tod eines Menschen durch Strahlenkrankheit.
Heute wird der Uhrmacher kaum noch wie früher Leuchtzeiger neu mit Leuchtmasse ausfüllen! Die Leuchtmasse wurde mit Bindemittel angerührt und von der Unterseite mit einem Glasstäbchen in die Skelettzeiger gestrichen. Zu dick gewordene Paste musste mit dem Verdünnungsmittel wieder geschmeidiger gemacht werden.
Bequemer und einfacher – auch billiger! – ist es, neue Leuchtzeiger aufzusetzen, zumal sie viel schnellere Arbeitsweise ermöglichen: man braucht nicht erst zu warten, bis die Leuchtmasse getrocknet ist, sondern kann die Zeiger sofort aufsetzen und damit die Uhr fertig aus der Hand legen.”Eine Einführung in die Problematik der Leuchtfarben finden Sie als Zusammenstellung zum Download als PDF – ausschließlich für den privaten Gebrauch! Beide Dateien stehen in reduzierter Auflösung zur Verfügung:
Leuchtfarben
Fachleuten sei allerdings noch ein ergänzender Blick in folgende Normen empfohlen:
Schweizer Normen NIHS 97-10 = SN 289 710 (1992), NIHS 97-11SN = ISO 4168 (2003); Internationale Norm ISO 3157 (1991) und Deutsche Norm: DIN 8318 (1984).
- Strahlenschutz: Ist die Uhr mit radioaktiver Leuchtfarbe gefährlich? Di pl.Pys. ETH O. W. Thüler (Fa. Merz-Benteli AG, Bern), Schweizer Mechaniker Zeitschrift, 25.11.1959, Nr. 22
- Dosis radioaktiver Strahlungen, THE SWISS WATCH ( N. N. o. J. ) ca. 1960
- Beurteilung und Wahl von Leuchtstoffen , The Swiss Watch, N. N., o. J. ca 1960
- Dosis radioaktiver Strahlungen, THE SWISS WATCH ( N. n. o. j. ) ca. 1960
- Beurteilung und Wahl von Leuchtstoffen, The Swiss Watch, N. n., o. j. ca 1960
- RADIOISOTOPENTECHNIK, Leuchtzifferblätter mit Promethium oder Tritium statt mit Radium, N. n., Technika Nr. 4, 17.02.1961
- Radioaktivität der Leuchtzifferblätter? The Swiss Watch D ( N. n. o. j. ) ca. 1962
- Radioaktive Leuchtzahlen in der Uhrenindustrie , Oskar W. Thüler, dipl. phys. ETH, The Swiss Watch o. j. ca. 1964
- Tritium , The Swiss Watch D ( N. n. o. j. ) ca. 1963
- Der Leuchtstoff Tritumin und seine Verwendung , Beilage zur deutschen Uhrmacher-Zeitschrift Nr. 9/1965
- Die Uhren mit Leuchtausstattung , NN o. j. ca 1965
- Tritium-Leuchtfarben Herstellung und Verwendung , Kamil Krejci, Radium Chemie A. Zeller&Co., Taufen, o. j. ca. 1968
- Die Entgasung von Tritium durch Leuchtmassen , L. Chollet ca. 1970
- Neue Erkenntnisse bei der Herstellung und Verarbeitung der Tritium-Leuchtfarben, Kamil Krejci, Radium-Chemie. Teufen, ca. 1970
- TRITIUM Leuchtfarben, N. N., Radium – Chemie, ca. 1994
- Strahlende Uhr , J.Gehl, Uhren Magazin, Leserbrief, 2/1991, S. 6 f.
- “Bombe” am Handgelenk , Uhren Magazin, N. n., 6/1991, S. 122
- Der leise Tod, Alte Russenuhren strahlen lebensgefährlich, Uhren Magazin, N. n., 10/1993, S. 130
- Russenuhren im Strahlentest, Uhren Magazin, N. n., 3/1994, S. 78f
- Tritium strahlt durch Plastik , Uhren Magazin, N. n., 3/1994, S. 79
- Der Stoff aus dem die Ziffern sind, Uhren Magazin, N. n., 11/1995, S. 146
- Super-LumiNova, 1998
- Leuchtmittel: Welche Stoffe verwendet werden, Uhren-Magazin, N. n., 5/00, S. 78