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Technik

 

 

Probleme der Ölhaltung bei antiken Uhren

Mit freundlicher Genehmigung durch Wolfgang Lympius
aus: Schriften der Freunde alter Uhren, Bd. XXII, 1982, S. 125 ff.

1. Das Ölen der Uhren brachte von jeher Probleme mit sich. Nach 1860, also bereits mitten in der Präzisionsuhren-Periode, klagte Sir George Biddell Airy - der englische Astronomer Royal - daß Abweichungen beim Chronometergang einerseits durch schlechte Kompensation und andererseits durch sich zersetzende Öle hervorgerufen würden. Jeder, der Uhren ölt, kennt enttäuschende Probleme (Abb. 1), wenn trotz größter Reinlichkeit und vorschriftsmäßiger Verarbeitung der Uhrenöle diese auf der Platine verlaufen und dort, sowie auf Zahnrädern und Trieben, eindicken und verharzen. Es ist interessant festzustellen, daß beim Kriechen der Öle auf einer Platine die Schwerkraft offensichtlich keine Rolle spielt; die Ölhalos breiten sich kreisförmig um die Senkungen herum aus. Auch Chamberlain war 1941 insbesondere mit den Mineralölen noch unzufrieden: Sie würden kriechen und schließlich verdunsten. Auf die letztere beklagte Eigenschaft wird weiter unten eingegangen.

Abb. 1: Unrestaurierte Pendule mit Spindelwerk, beachte die kreisrunden Ölhalos um die Senkungen
Abb 1. Unrestaurierte Pendule mit Spindelwerk, beachte die kreisrunden Ölhalos um die Senkungen

2. Seit den Anfängen der Uhrenherstellung wurde wohl zum Schmieren alles verwendet, was Öl- oder Fettcharakter hatte. Hier wären zuerst pflanzliche Öle zu nennen. Diese scheinen besonders ungeeignet zu sein, denn sie reagieren sauer, verharzen schnell und unterliegen sehr stark dem Lichteinfluß. Im 18. Jahrhundert wandte man sich den tierischen Ölen zu, besonders Klauen- und Knochenölen, und in den USA wurden Fischöle - z. B. vom Tümmler - beliebt. Auch mineralische Öle wurden mit mehr oder weniger - meist weniger - Erfolg verarbeitet, und schließlich gab es Mischungen aller möglichen Ölsorten, z.T. auch mit Additiven wie Graphit oder Molybdändisulfid. Daneben benutzte man noch tierische und pflanzliche Fette. Keines dieser Schmiermittel brachte eine zufriedenstellende Lösung der Probleme. Erst die synthetischen Öle verhalfen zu einem spürbaren Fortschritt.

 2.1 Die Probleme der Ölung bei modernen Uhren einerseits und antiken Werken andererseits unterliegen durchaus verschiedenen Gesetzen. Es bereitet heute keine Schwierigkeit eine moderne Uhr alle drei bis fünf Jahre warten zu lassen. Auch wird die Lebensdauer, z. B. einer Armbanduhr, nicht unbedingt auf mehrere hundert Jahre veranschlagt, was jedoch bei guten alten Uhren fast regelmäßig der Fall war, denn diese sollten der Nachwelt erhalten bleiben. Würde man solch eine Uhr alle fünf Jahre warten wollen, würde dies bedeuten, daß sie in 100 Jahren ca. 20 mal zerlegt werden müßte, was in Verbindung mit notwendigen Reinigungsarbeiten dem Stück nicht zuträglich wäre.

3. Bis weit in unser Jahrhundert hinein war die Uhrenölung inklusive der Ölherstellung ein rein empirisches Problem, über welches der Eingeweihte möglichst wenig verlauten ließ. Nunmehr liegen so viele technische und wissenschaftliche Untersuchungen vor, daß bei der Ölversorgung der Uhren Erfolg oder Mißerfolg zum größten Teil vorhersehbar sind.3.1. Um die Schwierigkeiten verstehen zu können, muß man sich über einige technische Grundlagen im klaren sein. Beim Ölvorgang werden zwei prinzipiell verschiedene Richtungen unterschieden: Die hydrodynamische Ölung und die Grenzölung.

3.1.1. Bei der hydrodynamischen Ölung läuft ein Ölfilm mit höherer Geschwindigkeit als die sich reibenden Flächen. Die Lagerdrücke sind verhältnismäßig gering. Da das Öl heftig bewegt wird, spielt die Thixotropie* eine gewisse Rolle. Die Teile müssen sich schnell bewegen. Wird die Bewegung zu langsam, bricht der hydrodynamische Öldruck zusammen, und die Teile berühren sich. Bei Uhren kommt diese Art der Schmierung nur an wenigen Stellen vor, z. B. an den Zapfen und Trieben einer schnellaufenden Windflügelachse.3.1.2 Die Grenzschmierung ist der Ölvorgang, mit dem sich der Uhrenrestaurator auseinandersetzen muß. Hier ist die Geschwindigkeit der sich gegeneinander bewegenden Teile gering, die Lagerdrücke sind hoch; in der Literatur werden 60 - 200 kp/cm2 angegeben. Um den Bedingungen der Grenzölung genügen zu können, ist ein festes Haften des Ölfilmes an Mikrorauhigkeiten oder Oxidschichten der zu ölenden Oberflächen notwendig, eine Eigenschaft des Öles, die physikalisch schwer definierbar ist.
Bei energischer Reinigung gehen zwar am Messing die Oxide in Lösung, scheinen sich jedoch an der Luft sehr schnell, wenn auch unsichtbar dünn, wieder aufzubauen. In Goldlegierungen oder Vergoldungen oxidieren die unedlen Legierungsanteile und bilden so die gewünschten nicht sichtbaren Schichten. In diesem Zusammenhang ist es interessant zu erwähnen, daß gewisse Stahlsorten nach einer Reinigung innerhalb von wenigen Minuten deutlich Rost ansetzen, wenn sie nicht total trocken sind.

3.1.3. Ein wichtiger Faktor bei der Bestimmung der Schmierfähigkeit ist die Viskosität oder Zähigkeit des Öles. Dieser Meßwert hat die Dimension Kraft/Fläche und wird in Großdyn (0,102 kp)/Quadratmeter = Poise gemessen. Für manche Öle wird auch der Wert »Kinematische Viskosität« = Poise/Dichte = Stokes angegeben.
Die genannten Angaben sind bei der hydrodynamischen Ölung von Wichtigkeit, bei der Grenzölung aber gibt es andere Faktoren, welche möglicherweise wichtiger sind, etwa das Kriechen und die Druckbeständigkeit, wobei die letztere bei den klassischen, also nicht-synthetischen Ölen von der Menge des zugesetzten Klauenöles abhängig war. Der vielbeklagte Ölfilmriß kommt übrigens nur bei der hydrodynamischen Schmierung vor.
 

3.1.4. Eine weitere wichtige Eigenschaft der Öle ist das Breitlaufverhalten (Spreitung, Creep). Man mißt diesen Wert, indem eine definierte Menge des Öles auf Rubin, Stahl und Messing MS 58 aufgebracht wird und nach einer Minute, sowie nach zehn und 120 Minuten, schließlich nach 24 Stunden bestimmt man, um wieviel Prozent sich die Auflagefläche des Öles vergrößert hat.

3.1.5. Wie schon oben erwähnt wird auch die Verdunstung von Ölen immer wieder beklagt. Bei so mancher Reklamation stellt der Uhrmacher fest, daß das Öl aus dem Lager verschwunden, also »verdunstet« ist. Die Überprüfung der Öle auf diese Eigenschaften hin zeigt aber Werte, die stets zu vernachlässigen sind, egal ob es sich um klassische oder synthetische Schmiermittel handelt; ein typischer Wert ist etwa die Verdunstung von 0,5% in 24 Stunden bei 105º C. Man kann sich vorstellen, daß bei Zimmertemperatur der Verdunstungsgrad ganz wesentlich geringer ist. Bei genauer Untersuchung wird man das Öl stets wiederfinden. Es ist ganz einfach verlaufen und bildet eine hauchdünne, fast unsichtbare Schicht.

3.1.6. Die Ölalterung ist eines der Hauptprobleme der Dauerschmierung, Beim Altern findet ein Oxidationsvorgang statt, bei dem das Kupfer im Messing als Oxidationskatalysator eine wichtige Rolle spielt, besonders im Zusammenhang mit dem Luftsauerstoff. Hieraus geht hervor, daß die Oxidation langsamer verläuft, wenn Messing oder Kupfer nicht anwesend sind, z. B. bei eisernen Uhren. Die Ölalterung wird unter Zugabe von Kupfer bei guter Luftvermischung gemessen. Um eine Zeitraffung zu erlangen, erhitzt man das Versuchsgut auf 95º C und bestimmt die Viskosität in gewissen Zeitabständen, denn das Maß der Alterung läßt sich an der Zunahme der Zähigkeit gut messen.
Wie weit die Alterungsbestimmungen auf die Praxis übertragbar sind erscheint dem Verfasser unsicher. Eine Firma gibt für ein klassisches Uhrenöl eine Rate von 8,5 % in 15 Jahren an. Nun weiß aber jeder, daß nach einer so langen Zeit, außer vielleicht bei sehr gut abgedichteten Werken, das Öl zum größten Teil verdorben ist. Hier scheinen Test und Praxis nicht gut übereinzustimmen.
Um die Zersetzung der klassischen Uhrenöle zu verzögern, werden sie mit Stabilisatoren versetzt. Mit einem solchen verläuft die Alterung etwa linear, ohne Zusatz hingegen progressiv.
Welche große Rolle bei den antiken Uhren die aus den Messingzahnrädern herausgelösten Kupferionen spielen, kann man leicht beobachten: In vielen Fällen hat sich nach kurzer Zeit das Öl grün gefärbt, ein untrügliches Zeichen dafür, daß Kupfer aus dem Messing gelöst wurde und nun im Öl ist. Die Kupferionen sind spektralanalytisch leicht nachweisbar; man kann dies selbst tun, indem man mit einer feinen Öse aus Platin oder rostfreiem Stahl einen Tropfen entnimmt und über einer farblosen Flamme erhitzt. Nachdem das Öl verbrannt ist, färben die Kupferionen die Flamme in der typischen grünblauen Farbe.

3.1.7. Ein interessanter Meßwert ist auch der Stockpunkt, eine Temperatur, bei welcher das Öl kein Fließvermögen mehr hat, Dieser Wert ist für antike Uhren heute nicht mehr bedeutungsvoll, spielte aber bei den Chronometermachern eine erhebliche Rolle, denn Marinechronometer mußten im Winter auf den schlecht geheizten Schiffen, teilweise bei Arktisexpeditionen, ihren Dienst tun. Das Erreichen des Stockpunktes macht jedoch nicht alle Öle unbrauchbar; einige sind noch teilweise verwendbar, wenn sie fettähnlichen Charakter annehmen, andere, die hart und kristallin werden, bringen ein Chronometer zum Stehen.

Es gibt noch eine Reihe interessanter Öleigenschaften, die aber hier nicht alle aufgeführt werden können.

4. Da lange Zeit eine Verbesserung der Ölqualität nicht erreicht werden konnte, versuchten die Uhrmacher der Probleme auf andere Weise Herr zu werden.

4.1. Saunier empfahl alle in der Umgebung des Öles liegenden Flächen auf Hochglanz zu polieren, da Riefen Kapillarwirkung entfalten, welche das Öl von seinem Platz abzieht. Kapillarität soll nur dort stattfinden, wo Öl gehaltenwerden soll.

4.2. Schon früh erkannten die alten Uhrmacher, daß Öl auf Messing schnell verläuft und verdirbt. Ob die Feuervergoldung der Platinen bei Renaissanceuhren zur Verhütung dieses Übels oder aus Gründen der Verzierung ausgeführt wurde ist unsicher; sicher ist jedoch, daß die

Wasservergoldung der Platinen guter englischer Bracket-Clocks wegen der Ölfehler aufgebracht wurde, denn die dünne Goldschicht bringt nur geringe optische Vorteile. Hier sei auch an die Verwendung von Hartgoldlegierungen zur Herstellung von Hemmrädern und Ankern bei einigen Taschenuhren erinnert. Daß die Messingoberfläche das Öl stärker zum Verlaufen bringt als Gold zeigt Abb. 2. Man sieht hier verschiedene Metallfelder. Der Pfeil zeigt auf Messing MS 58, die drei anderen Felder sind mit Vergoldungen verschiedener Zusammensetzung überzogen worden. Auf der Abb. sieht man, daß nach zehn Minuten das Testöl schon deutlich verlaufen ist, beim MS 58 jedoch bis zum Rand der Metallplatte.
Auch die Anwendung der Vergoldungen und Goldlegierungen zeigt bald die Grenzen der klassischen Uhrenöle auf.

Abb. 2: Testöl auf MS 58 (Pfeil) und verschiedenen Goldplattierungen, zehn Minuten nach dem Auftragen
Abb. 2: Testöl auf MS 58 (Pfeil) und verschiedenen Goldplattierungen, zehn Minuten nach dem Auftragen

Abb. 3: Klassisches (oben) und synthetisches (unten)
Uhrenöl, zwei Stunden nach Versuchsbeginn5.

Ein gewaltiger Fortschritt gelang mit der Einführung der synthetischen Öle. Diese sogenannten Öle sind chemische Verbindungen mit Äther- und Alkoholgruppen und haben mit klassischen Schmiermitteln keine chemische Ähnlichkeit mehr. Sie sind daher auch nicht verseifbar. Der Verdampfungsgrad ist zu vernachlässigen. Die Spreitung zeigt geringe Werte, was sich z. B. im Versuch leicht nachweisen läßt (Abb. 3, links: Klassisches (oben) und synthetisches (unten) / Uhrenöl, zwei Stunden nach Versuchsbeginn). Das Bild zeigt den Zustand nach Aufbringen einer klassischen (oben) und eines synthetischen Uhrenöles (unten). Die stärkere Spreitung des klassischen Öles nach zwei Stunden ist klar erkennbar.

Abb 4: Das Werk aus Abb, 1, vier Jahre nach Ölung mit synthetischem Öl

Für die antike Uhr von außerordentlicher Wichtigkeit ist die Tatsache, daß die Alterung der synthetischen Öle sich um den Nullwert herum bewegt. Die Druckaufnahmefähigkeit ist im Vergleich zu den klassischen Ölen etwas geringer, kann jedoch durch Additive, z. B. organische Molybdänverbindungen, verbessert werden.
Abb. 4. (Abb 4, rechts: Das Werk aus Abb, 1, vier Jahre nach Ölung mit synthetischem Öl) zeigt das Werk von Abb. 1 vier Jahre nach durchgeführter Restaurierung. Die Platinen wurden vergoldet und die Uhr mit synthetischem Öl versorgt. Ein Verlaufen desselben über die Ölsenkungen hinaus ist nicht mehr feststellbar.

6. Ein weiterer Fortschritt in dem Bemühen das Öl an Ort und Stelle zu halten, wurde durch die Epilamisierung erreicht. Bei diesem Verfahren wird eine Substanz auf die zu schmierenden Teile aufgetragen, welche die Oberflächeneigenschaft des Trägers verändert und somit das Verhältnis der Oberflächenspannung zwischen Öl und zu ölendem Teil. Das Verfahren an sich ist offensichtlich nicht neu, denn schon Saunier empfahl die Zahnspitzen der Spindelräder mit Wachs zu berühren, wodurch eine Barriere geschaffen wird, die das Öl von den Zahnspitzen nicht mehr abwandern läßt. 

Abb. 5: Testöl auf Metallplatte, links epilamisiert, rechts ohne Epilame, zwei Stunden nach Versuchsbeginn

Abb. 5: Testöl auf Metallplatte, links epilamisiert, rechts ohne Epilame, zwei Stunden nach Versuchsbeginn

6.1. Für die allgemeine Anwendung wurde die Epilamisierung jedoch erst gegen 1925 wiederentdeckt, als Woog bei der Compagnie Française de Raffinage sich mit der Entwicklung einer Substanz beschäftigte, welche Ende der zwanziger Jahre unter der Bezeichnung »Epilame« angeboten wurde. Hier handelte es sich um eine Stearinsäure, die bis Ende der

sechziger Jahre ohne Alternativprodukt im Handel war. Der Name dieses Mittels hat sich bis heute erhalten und wird für die modernen Produkte weiterverwendet. 
In den siebziger Jahren gingen die Entwicklungen in zwei Richtungen: Massin von der Firma CETEHOR stellte ein Epilame auf Silikonbasis her, welches sich jedoch nicht durchsetzen konnte. 1973 wurde von H. Moebius & Fils ein Epilame auf der Basis von Fluorkunststoff hergestellt, das sich außerordentlich bewährt hat und weltweit in der Uhrenbranche angewendet wird (Fixodrop BS). 6.2. Wie schon angedeutet wird das Epilame auf die zu ölenden Flächen aufgetragen. Die wirksame Substanz ist in Frigen gelöst, weiches als hochflüchtiges Lösungsmittel aus der Kältetechnik bekannt ist. Das Auftragen kann durch Tauchen oder Aufpinseln erfolgen. Die erzielten Schichtdicken bewegen sich zwischen 0,01 bis 0,05 µm. Im Testverbrauch werden zwischen Öltropfen und epilamisiertem Träger Randwinkel von über 45º erzielt, was auf eine hohe Oberflächenspannung zwischen Tropfen und Unterlage hindeutet, die Spreitung muß also gering sein.

6.3. Das Wesen der Epilamisierung ist immer wieder falsch verstanden worden. Beim Lesen einschlägiger Texte (Britten 1938, Bertele 1981) erhält man den Eindruck, als ob das Epilame das Öl in einer Art Schwammeffekt an Ort und Stelle halten soll. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Alle Epilame stoßen Öle und Fette ab. Die Wirkung wird allein durch einen Barriereeffekt erzielt. Dies bedeutet, daß die zu ölenden Teile selbst - also Lager, Lagerzapfen, Wälzungen der Zahnräder - epilamefrei gehalten werden sollen, die unmittelbare Umgebung soll jedoch epilamisiert sein, um das abfließende Öl am Ort zu halten und damit ein Verlaufen zu verhindern
Abb. 5 (Abb. 5: Testöl auf Metallplatte, links epilamisiert, rechts ohne Epilame, zwei Stunden nach Versuchsbeginn)zeigt zwei Testöltropfen zwei Stunden nach Auftrag, Der linke Tropfen befindet sich auf einer epilamisierten Schicht, der rechte wurde auf das nackte Metall aufgetragen. Der linke Testtropfen ist seit Versuchsbeginn praktisch unverändert, rechts hat sich die Tropfenoberfläche bereits um mehrere hundert Prozent vergrößert.

Abb. 6: Platte unbehandelt

Die beiden Stahlplatten auf Abb. 6 (Abb. 6: Platte unbehandelt links Platte mit FIXODROP BS Art-8922 behandelt, rechts) sind mit verschiedenen Ölen beschickt worden. Die linke Platte ist unbehandelt, die rechte wurde epilamisiert. In den linken Reihen finden sich Testöle mit verschiedener Oberflächenspannung, rechts sind je zwei Tropfen eines mittelviskösen Paraffinöles (unten) und zwei Tropfen eines synthetischen Uhrenöles (Moebius Synt A Lube 9010, oben) aufgebracht worden. Beide Platten wurden zwei Stunden nach Versuchsbeginn fotografiert.
Das unterschiedliche Verhalten der Öle auf den Platten ist beeindruckend. Interessant ist, daß Testöl Nr. 1 auch auf der epilamisierten Platte verläuft. Dies liegt daran, daß es sich um ein fluoriertes Produkt handelt, welches sich mit dem ebenfalls fluorierten Epilame nicht verträgt. Alle übrigen Tropfen bleiben auf der vorbehandelten Platte unverändert.

Abb. 6:Platte mit FIXODROP BS Art-8922 behandelt

Abb. 6: Platte unbehandelt links Platte mit FIXODROP BS Art-8922 behandelt, rechts


Ein modernes Epilame widersteht bis zu einem gewissen Grade der Ultraschallreinigung (Abb. 7: Reinigungsversuche auf epilamisierten Platten). Die epilamisierten Stahlplatten wurden mit verschiedenen Reinigungsmitteln einer je dreiminütigen Ultraschallbehandlung unterzogen.
Der Ölauftrag erfolgte analog Abb. 6. Man erkennt, daß auch nach der achten Reinigung der Epilameschicht noch nicht zerstört ist. Die Platten wurden jeweils eine Stunde nach dem Auftrag der Öle fotografiert

Abb. 7: Reinigungsversuche auf epilamisierten Platten

Abb. 7: Reinigungsversuche auf epilamisierten Platten

Abb. 8: Öltropfen auf epilamisierter Unterlage, sechs Monate nach Versuchsbeginn

(Abb. 8: Öltropfen auf epilamisierter Unterlage, sechs Monate nach Versuchsbeginn) zeigt schließlich besonders deutlich den Barriereeffekt durch Epilamisierung: Der Randwinkel des Öltropfens ist größer als 45º; er blieb während der Beobachtungsdauer von sechs Monaten absolut konstant!

6.4. Wegen der hohen Flüchtigkeit des Lösungsmittels (Frigen) ist der Epilamisierung bei antiken Uhren eine Grenze gesetzt. Das Tauchen von z. B. großen Platinen hat sich als nicht praktikabel herausgestellt, jedoch können kleinere Teile ohne weiteres getaucht werden. Bei größeren Teilen hat sich das Aufbringen mit dem Pinsel bewährt, was noch den Vorteil hat, daß die öltragenden Oberflächen selber ausgespart werden können. In der Praxis wird man also das Epilame auf eine Achse bis zur Zapfenschulter auftragen, den Zapfen jedoch nicht behandeln. Bei den Platinen hat sich das Umpinseln der Lagerlöcher sowie das Auskleiden der Ölsenkungen bewährt, wobei darauf zu achten ist, daß kein Epilame in die Lagerlöcher läuft.
Eine gewisse Schwierigkeit beim Pinselauftrag besteht darin, daß infolge der außerordentlich dünnen Schicht dieselbe schlecht erkennbar ist; man ist gelegentlich unsicher an welcher Stelle sich schon Epilame befindet. Hier helfen nur eine Lupenbrille und gute Beleuchtung.
Bei Zahnrädern und Trieben ist das Aufbringen mit dem Pinsel nicht praktisch. Die Teile müssen insgesamt getaucht werden. Um die Schicht von den sich reibenden Flächen wieder zu entfernen (die Epilameschicht würde das Halten des Tropfens z. B. an den Zahnspitzen unmöglich machen), läßt man das Werk eine gewisse Zeit trocken laufen, wodurch das Epilame an den sich reibenden Stellen zerstört wird, in der unmittelbaren Nachbarschaft jedoch erhalten bleibt und so die gewünschte Barriere bildet. Die Zeiten für den Trockenlauf werden verschieden angegeben; sie bewegen sich zwischen 20 Minuten und zwei Stunden. Praktische Versuche des Verfassers haben ergeben, daß bei einer Spindelhemmung 20 Minuten voll ausreichend sind. Für Teile, die sich gegeneinander langsam bewegen, muß die Trockenlaufzeit entsprechend verlängert werden.

6.5. Zumindest bei guten antiken Uhren sollte man von der Epilamisierung Gebrauch machen, besonders an Teilen, wo geometrisch ungünstige Bedingungen zur Ölhaltung vorherrschen, wie etwa an Kanten, Hebeflächen, stehenden Spindelrädern usw.

6.6. Unter Beachtung gewisser Vorsichtsmaßnahmen ist bei der Verwendung synthetischer Öle und Epilamisierung eine »For Life Lubrication« denkbar, was bedeuten würde, daß ein Werk mit einmaliger Ölung für den Rest seines Lebens - von Reparaturen abgesehen - nicht mehr gewartet und zerlegt werden muß. Die Vorsichtsmaßnahmen müssen folgende Punkte einschließen: Absolute Reinheit, einmalige Reinigung in Ultraschallbad ist völlig unzureichend. Völlige Staubfreiheit. Die Spalten zwischen Zapfen und Lager dürfen nur zu dreiviertel gefüllt werden. An Stellen, wo keine Kapillarwirkung das Öl hält, soll, sofern praktikabel, Fett verwendet werden, z. B. an Schaltklinken, Hebnägeln usw.
Der Maßnahmenkatalog kann noch erweitert werden. Bei der antiken Uhr ist er jedoch kaum voll zu erfüllen, allein schon deswegen, weil die Werke nur in den seltensten Fällen wirklich staubdicht abgeschlossen sind. Immerhin liegen beim Marinechronometer und bei einigen Präzisionsregulatoren fast ideale Bedingungen vor, da durch die Lagerung der Werke im Chronometertopf bzw. im luftdichten Regulatorgehäuse gute Staubfreiheit erzielt werden kann. Unter den dargestellten Bedingungen wird man das Wartungsintervall einer solchen Uhr, die beim Sammler ständig läuft, von den üblichen drei bis fünf Jahren sicherlich auf zehn bis fünfzehn Jahre -oder gar länger -erhöhen können. Aber auch unter weniger günstigen Voraussetzungen ist man in der Lage längere Reinigungsintervalle zu erzielen. Hier müssen noch Erfahrungen gesammelt und ausgewertet werden.

7.

Zusammenfassung: Durch Verwendung synthetischer Uhrenöle und Epilamisierung ist bei der antiken Uhr eine wesentliche Verbesserung der Ölhaltung möglich, allerdings ist ein zusätzlicher Maßnahmenkatalog, soweit wie praktikabel, zu beachten. Hierzu zählt besonders die absolute Reinheit der Werkteile. Diese müssen in mehreren Arbeitsgängen gesäubert werden; danach dürfen sie mit der bloßen Hand nicht mehr berührt werden sondern sollten mit Zwirnhandschuhen gehalten werden. Wenn es geht ist die Vergoldung der Platinen durchzuführen. Eine Überölung der Teile -der häufigste Fehler bei der Ölung -muß unbedingt vermieden werden. Wozuviel Öl in Lager oder Triebe gegeben wurde, was sich manchmal nicht ganz vermeiden läßt, ist es wieder abzusaugen. Hierzu haben sich Streifchen von Filtrierpapier sehr gut bewährt. Das Filtrierpapier ist einerseits chemisch inert, andererseits fasert es im Gegensatz zu anderen saugenden Substanzen nicht. Man kann es sich in jeder beliebigen Form zurechtschneiden.
Die Zeit, in der das Ölen der Uhren von vielen Imponderabilien** abhängig war, und bei der es immer wieder Überraschungen gab, sind vorüber. Wissenschaft und Technik haben uns Materialien und Verfahren in die Hand gegeben, die beim Restaurieren antiker Uhren unbedingt eingesetzt werden sollten. Die Abb. 7, 8, 9 mit freundlicher Genehmigung der Firma H. Moebius & Fils, Allschwil/Schweiz.

Literatur:

v. Bertele, H: Marine- und Taschenchronometer. Callwey Verlag, München 1981
Britten, F. J.: The Watch & Clockmaker's Handbook. Chemical Publishing Company, Brooklyn 1938
Lord Grimthorpe (Beckett, E.): A Rudimentary Treatise on Clocks, Watches and Bells. Eighth Edition 1903
Chamberlain, P. M.: It's about Time. 1941, Reprint The Holland Press, London 1964
Davis, W. 0.: Gears for small Mechanisms, NAG Press, London 1970
Gould, R. T.: The Marine Chronometer, London 1923
Laycock, W.: The lost Science of John »Longitude« Harrison. Brant Wright Associates, Ashford, 1976
Renaud, I. R.: Auszug aus einem Schmierkurs des LSRH, Neuchätel
Saunier, C.: Treatise on Modern Horology. Reprint W. & G. Foyle, London 1975
Manual for Overhaul, Repair and Handling of Hamilton Ship Chronometer. 1948
Persönliche Mitteilung H. Moebius & Fils 

*Thixotropie:    Eigenschaft bestimmter Gallerte oder Gele, ohne Temperaturerhöhung unter Schütteln oder Ultraschall
                          verflüssigt zu werden und nach gewisser Zeit wieder zu gelerieren
**Imponderabilien: Unwägbarkeiten, Tatsachen von unberechenbarer Wirkung
(M. Stern)